Sonntag, Juni 14, 2015

Grand Union Hotel

Grand Union Hotel, ca 1880, from the collections of the museum of the city of New York


Auf das Gebäude rechts im Vordergrund bin ich gestern gestoßen und werde ihm auch mal einen Slot hier im Blog geben. Es handelt sich dabei um das "Grand Union Hotel", Wie man links im Hintergrund sehen kann, stand das "Grand Union Hotel" in unmittelbarer Nachbarschaft des "Grand Central Terminals", das - so vermute ich - auch die Namensgebung für diesen Hotelpalast beeinflusst haben könnte. 

Spontan fällt einem jedenfalls ins Auge, dass sich die Dächer von ihrer Gestaltungs her nicht nur ein wenig ähneln. Ob das Absicht war oder dem damaligen Zeitgeist geschuldet war, vermag ich nicht zu sagen. 




Über das Grand Central Terminal habe ich vor zwei Jahren einiges an Material zusammengetragen, aber das Grand Union Hotel taucht dabei nicht auf, musste ich feststellen. 

Umso mehr ein Grund, heute den Fokus auf das auch schon lange verschwundene Hotel zu richten. 

So ganz ist mir noch nicht gelungen, die Position des Zeichners zu bestimmen, der das Ausgangsbild gefertigt hat. Also geht es mal wieder an den virtuellen Kartenschrank, um den Bromley-Stadtatlas von 1879 zu ziehen, der mit der Entstehungszeit des Bildes einigermaßen kompatibel sein müsste. 





Das Hotel befand sich mit seiner hier sichtbaren Front also an der Ostseite der Fourth Avenue zwischen 41st Street im Süden und 42nd Street im Norden. Auch wenn die Fassadengestaltung einheitlich war, so kann man der Karte entnehmen, das im nördlichen Teil des Gebäudes an der Ecke zur 42nd Street noch ein anderes Hotel (West Chester Hotel) untergebracht war.

Wenn ich mir die Karte und die Zeichnung so ansehe, dann werde ich den Eindruck nicht los, dass der Zeichner da ein wenig gemogelt hat, denn so ein luftiger Platz, wie er hier vermittelt wird, dürfte vor dem Grand Central Terminal und dem Grand Union Hotel nicht vorhanden gewesen sein. Später erhielt dieser Ort den Namen "Pershing Square", nach dem Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen im Ersten Weltkrieg, General John J. Pershing.  



Zwei Besonderheiten in Bezug auf den öffentlichen Personennahverkehr fallen hier auf. Zum einen gab es da eine Hochbahnstation am Grand Central Terminal, die man zwischen den beiden Gebäuden im Hintergrund sieht und die als eine Art Hochbahn-Sackbahnhof von der vertikal durch Manhattan verlaufenden Third Avenue Elevated Railway (3rd Ave El) in die 42nd Street abzweigte. 




Diesen kleinen Ausreißer aus der ansonsten stringenten Streckenführung der 3rd Ave El sieht man auch auf diesem Ausschnitt der Karte der IRT von 1904, wo die Hochbahnlinien in Blau eingezeichnet sind und die neue U-Bahnlinie in rot. 



Auf dieser Karte sehen wir auch, dass die erste U-Bahn-Linie von New York, die IRT von 1904, genau vor dem Grand Union Hotel verlief und dort eine scharfe Kurve aus der Fourth Avenue heraus in die 42nd Street vollzog, um ein kurzes Stück quer zu verlaufen und dann am Times Square unter dem Broadway wieder in die Nord-Süd-Richtung einzuschwenken. 

Auf dem Ausgangsbild, das ca. zwanzig Jahre vor dem Bau der U-Bahn entstand, sieht man vor dem Hotel eine markante Rampe im Untergrund verschwinden, in der eine Schienentrasse eingebettet ist. 




Ich gehe stark davon aus, dass es sich dabei um eine Trasse für die damals noch üblichen Pferdeomnibusse handelte, die während der 1880er noch zuhauf in den Straßen von New York unterwegs waren. Ein Exemplar davon sieht man, wenn man etwas weiter nach links schwenkt: 



Diese Rampe kann man auch auf der 1879er-Karte nachvollziehen, allerdings nicht, wie lange die Strecke im Untergrund verläuft, denn das geht über den Kartenrand hinaus: 



Aus dem Boden heraus kommt der Tunnel knapp 10 Straßenblöcke weiter südlich auf Höhe der 34th Street: 



Das scheint zugleich ein wichtiger Punkt für die Pferdeomnibuslinien gewesen zu sein, denn unterhalb des Tunnels sieht man rechts auf der Ostseite der Fourth Avenue einen großen Gebäudekomplex namens "Fourth Ave P.R.W. Depot and Stable", also einen Ort, in dem sowohl ein Depot für die Pferdeomnibuswagen als auch Ställe für die Zugpferde vorhanden waren. 

Hier die Tunnelausfahrt von der 33rd Street aus fotografiert (zuerst 1890, dann ca. 1900): 





Und hier ein Blick auf das Depot, wann genau fotografiert, kann ich nicht sagen, die Angaben beim Foto halte ich für falsch:



Ich habe mich früher schon einmal an diesem Ort aufgehalten, die Fotos von der Tunnelausfahrt sind mir noch bekannt. Das war hier vor knapp vier Jahren, als es um das Vanderbilt Hotel ging: 


Jetzt nochmal zurück zum Ausgangsbild: 



In der Mitte des Gebäudes sehen wir einen Hoteleingang und links daneben einen weiteren Eingang und darüber das "Grand Union Office":



An der Ecke Fourth Avenue / 41st Street findet man im Erdgeschoss eine Apotheke: 



Um die Ecke herum sieht man einen weiteren Flügel des Grand Union Hotels: 



Hinweise auf das "West Chester Hotel", laut Karte an der Mündung Fourth Avenue / 42nd Street, kann man auf der Zeichnung nicht finden. In dem Gebäudeteil ist nur zweimal der Hinweis "Restaurant" angebracht. Vielleicht lag der Hoteleingang hier aber auch im nicht sichtbaren Teil an der 42nd Street gegenüber vom Bahnhof:



Schauen wir jetzt mal, ob es noch weiteres Bildmaterial vom Grand Union Hotel gibt. Das hier kennen wir schon, diese Abbildung des Hotels war in den Anfangstagen wohl sehr beliebt: 

Grand Union Hotel, from the collections of the museum of the city of New York


Aha, Daytonian in Manhattan liefert ein paar Infos zur Geschichte des Hotels, die ich vorziehen möchte, bevor es mit den Bildern weitergeht. Die Hotelgründer Samuel Shaw und Simeon Ford begannen Ende der 1860er an der Ecke Fourth Avenue / 42nd Street mit dem "Westchester Hotel", als gegenüber das Grand Central Railroad Depot entstand. Und dieses Hotel wurde immer weiter und weiter ausgedehnt, bis es schließlich den ganzen Block ausfüllte, in "Reunion Hotel" und zuletzt in "Grand Union Hotel" umbenannt wurde. 

Hier sehen wir eine alternative Außenansicht des Hotels, die offenbart, dass es noch eine Fußgängerbrücke über die Tunneleinfahrt auf Höhe der 41st Street gab: 



Eine Innenansicht von der Rezeption des Hotels, ca. 1880:

Guest at the desk of Grand Union Hotel, ca 1880, from the collections of the museum of the city of New York


Noch eine Innenansicht, hier der sogenannte "Writing Room" auf einer Postkarte:



Ein Reklame-Flyer, datiert auf 1894: 



1899 sehen wir im Kartenwerk von Bromley das Hotel an der vorgesehenen Stelle und südlich davon ein Hospital, das sich auf Augen- und Ohrenbehandlung spezialisiert hat. 



Eine Speisekarte für Meeresfrüchte aus dem Hotel vom Januar 1900. Dem New Yorker Nationalgericht "Austern" ist dort eine ganze Seite eingeräumt.





Es geht weiter mit einer Photographie des Hotelbesitzers Simeon Ford aus dem Jahr 1902:

Simeon Ford, Owner Grand Union Hotel, 1902, from the collections of the museum of the city of New York


Offenbar gab es Gründe, den Besitzer und sein Hotel zu karikieren, so geschehen auf dieser Zeichnung von C. R. Macauley. ca. 1910 entstanden, mit dem Titel: "Simeon Ford und das Grand Union Hotel auf dem Gipfel der Welt". 

C R Macauley, Simeon Ford and the Grand Union Hotel on top of the world, ca 1910, 
from the collections of the museum of the city of New York


Bei den Bauarbeiten für die erste New Yorker U-Bahnlinie ereignete sich am 27.01.1902 vor dem Grand Union Hotel auf Höhe 41st Street ein schweres Unglück. Die U-Bahntrasse wurde vor allem mit Sprengstoff durch den felsigen Untergrund der Insel Manhattan getrieben. Bei einem unglücklich verlaufenen Versuch, regennasses Dynamit mit Hilfe von Zündpulver zu trocknen, explodierte eine halbe Tonne Dynamit. Acht Menschen waren auf der Stelle tot, weitere vier starben im Nachgang an ihren schweren Verletzungen. 



Durch herumfliegende Steine und Glassplitter wurden im Umfeld der Explosion mehrere hundert Menschen verletzt, zum Teil schwer. Das Grand Union Hotel wurde bei dem Unglück schwer beschädigt ("badly wrecked") und sowohl Gäste als auch Personal verletzt, vor allem durch Schnittwunden aufgrund der Glassplitter. 

Nur eine Woche später ereignete sich am 06. Februar durch einen Sprengfehler eine weitere gigantische Explosion am Hotel, die erneut unzählige Gesteinsbrocken durch die Gegend fliegen ließ und dafür sorgte, das einigen Kutschern die Pferde durchgingen. 


1904 soll diese Aufnahme des Grand Union Hotels entstanden sein, die Löcher über der U-Bahn sind wieder geschlossen und das neue Verkehrmittel ist wahrscheinlich schon in Betrieb oder kurz vor seiner Eröffnung. Es fällt auf, dass die Dachverzierung über dem ältesten Gebäudeteil an der Ecke Fourth Avenue / 42nd Street verschwunden ist: 

Byron Company, Hotel Grand Union, 1904, from the collections of the museum of the city of New York


Das Hotel auf der Bromley-Karte von 1911, den Verlauf der U-Bahn und die Position einer unterirdischen U-Bahn-Station sind eingezeichnet:



1913 sehen wir das nagelneue Grand Central Terminal in der Nachbarschaft des Grand Union Hotels, links kann man auch die Fußgängerbrücker über der Tunneleinfahrt wiedererkennen:



Neben vielen anderen bedeutsameren Ereignissen sollte 1914 auch das Schicksalsjahr für das Grand Union Hotel werden. Das wurde nämlich am 02. Mai 1914 nach ca. 45 Jahren geschlossen. Zuvor entstanden zum Abschied noch ein paar Bilder vom Gebäude:







Eine der letzten Speisekarten des Hotels vom 28. April 1914:



Bei der Schließung des Hotels stellte man fest, dass es bis dato niemals in seiner Geschichte verschlossen gewesen war und deshalb auch kein Schlüssel zum Abschließen des Gebäudes gefunden werden konnte. 

In den folgenden zwei Jahren wurde das Gebäude abgerissen. Diese Fotografie vom 06. April 1916 verdeutlicht, dass nichts mehr übrig ist vom Grand Union Hotel. 

Pierre Pullis, Grand Union Hotel site, 1916, from the collection of the museum of the city of New York


Ein Grund für das Ende des Hotels (neben dem Alter des Betreibers Simeon Ford) dürfte der Neubau einer U-Bahn-Linie gewesen sein, die unter dem Grundstück herführte und die den bisherigen U-Bahn-Verlauf in diesem Abschnitt veränderte. Statt nur links rum nach Westen ging es jetzt auch rechts nach Nordosten, wie man auf dieser Karte von 1917 sieht. Unterhalb des einstigen Hotels entstand eine Haltestellte für die neue U-Bahn-Linie.





Das ist auch auf dieser Bromley-Karte von 1916 zu sehen: 



1918 entstand diese Aufnahme, die das Grundstück weiterhin unbebaut zeigt. Hinter dem Grundstück die immer noch vorhandene Hochbahnstation der 3rd Ave El und dahinter das Grand Central Terminal. 

Park Avenue and 42nd Street, 1918, from the collections of the museum of the city of New York


Rechts im Hintergrund entsteht das Hotel Commodore, das auf dieser Aufnahme von 1919 fertiggestellt ist: 

Buildings, Hotel Commodore, Grand Central and 42nd St Elevated Railroad, 1919, from the collections of the museum of the city of New York


Noch ist das Grundstück unbebaut und soll es auch noch ein paar weitere Jahre bleiben. Aber der Platz vor dem Bahnhof, der an den Standort des einstigen Grand Union Hotels grenzt, erhält im Gedenken an den Weltkrieg-I-Helden General Pershing im Jahr 1919 den Namen "Pershing Square". 

Und angelehnt an diesen Platz erhielt das 23stöckige Hochhaus, das 1922-23 auf dem Grundstück des Grand Union Hotels neu errichtet wurde, den Namen "Pershing Square Building". 


Hier die Bauarbeiten, beginnend mit einer Aufnahme von Ende Juni 1922:

























Und schließlich nach Fertigstellung, aufgenommen 1923: 



Und hier nochmal der namensgebende Pershing Square vor dem Grand Central Terminal und dem neuen Hochhaus, photographiert in den Jahren 1933 und 1934:





Und mit zwei Aufnahmen von 1940 verlasse ich die Vergangenheit: 


Pershing Building, 1940, from the collection of the museum of the city of New York


1 Pershing Square, 1940, from the collection of the museum of the city of New York


Zuletzt noch ein Blick auf die Gegenwart. Vom Süden her gesehen ist das Pershing Square Building kaum zu erkennen, weil von einem größeren Nachbarn verdeckt. 

google earth


Dreht man die Ansicht aber um 180 Grad, erhöht sich der Wiedererkennungswert um ein Vielfaches:



Gehen wir mal runter auf die Straße und nähern uns dem Gebäude vom Süden her über das Park Avenue Viaduct:





Auch den Pershing Square gibt es heute noch, allerdings sah er im Dezember 2014 etwas karger aus als auf den Aufnahmen von 1933: 




Dieser Eindruck verbessert sich leider auch nicht, wenn man in den August 2014 zurückspringt.





Und wenn man ganz zum Schluss noch die Ausgangszeichnung von 1880 und die Gegenwart von der 41st Street ausgesehen gegenüberstellt, dann muss man einmal mehr feststellen, dass sich in New York in den letzten 135 Jahen einiges verändert hat. Wirklich einiges!








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